03. August 2020
Sabina ZollnerDampfwalze des Protests

Die Initiative #exitracismUDK demonstrierte bei “Kunst Raum Stadt” gegen Rassismus innerhalb der UdK – und stieß auch dabei auf Protest
Die Stadt sollte zur Bühne werden – das war das Motto der Demonstration “Kunst Raum Stadt”. Vor zwei Wochen fand sie als Alternative zum jährlichen Rundgang der Universität der Künste statt. Zu einer ganz besonderen Bühne wurde dabei die Fassade des Hauptgebäudes der UdK in der Hardenbergstraße. Studierende der Initiative #exitracismUDK hängten dort sieben große Banner aus den Fenstern. “Wer studiert an der UdK? Warum gibt es keine Diversity Policy? Black Trans Lives Matters” stand unter anderem auf den Stoffbahnen.
#exitracismUDK wurde von Studierenden der Bildenden Künste gegründet. Die Initiative wollte sich von der Demonstration “Kunst Raum Stadt” abgrenzen und für einen rassismuskritischen Blick innerhalb der UdK protestieren. Eine Demonstration innerhalb der Demonstration sozusagen. “Es gibt definitiv rassistische Strukturen innerhalb der UdK”, sagt Heiko Thandeka-Ncube, Mitglied von #exitracismUDK. “Häufig werden Beschwerden eingereicht und es passiert im Anschluss sehr wenig.”
Dass die Studierenden ihre Forderungen genau an die Fassade an der Hardenbergstraße platzierten, hatte einen konkreten Auslöser: Während der Vorbereitungen für “Kunst Raum Stadt” wurde den Studierenden der Bildenden Künste ein LED-Screen am 17. und 18. Juli auf dem Steinplatz gegenüber dem Hauptgebäude angeboten. Alle 17 Klassen konnten sich auf der Leinwand mit einem dreiminütigen Beitrag künstlerisch zur Demonstration “Kunst Raum Stadt” positionieren.
Die Klasse Pryde entschied, sich näher mit dem Thema Rassismus zu beschäftigen. Im Laufe der Vorbereitungen hängten sie am 10. Juni verschiedene Banner mit politischen Botschaften aus dem Hauptgebäude der UdK. Am folgenden Morgen waren die Banner nicht mehr zu sehen. Die Studierenden versuchten daraufhin, die Hochschulleitung zu kontaktieren. Es dauerte eine Weile bis der Präsident der UdK, Norbert Palz, anwortete. Letztendlich schrieb der Präsident den Studierenden, dass er vermutet, die Banner seien “im Sinne der Gebäudereinhaltung” abgehängt worden.
“Das hat für ziemliche Empörung gesorgt, weil da natürlich die Assoziation mit dem Dritten Reich und der ‘Reinhaltung des Volkskörpers’ naheliegt”, sagt Thandeka-Ncube. Der Präsident der UdK entschuldigte sich später für seine missverständliche Wortwahl. Nach diesem Vorfall entschlossen sich 15 der 17 Klassen, den LED-Screen für eine politische Protestaktion zu nutzen. Was wiederum auf Protest stieß: Eine Professorin nannte das Verhalten der Initiator*innen diktatorisch, sie würden wie eine “Dampfwalze” über die Studierendenschaft rollen und niemand traue sich, sich gegen sie zu stellen.
Doch die Studierenden ließen sich nicht abbringen: Sie setzten sich künstlerisch mit dem Thema Rassismus auseinander, sammelten anonyme Betroffenenberichte – und erhielten nach zwei Tagen bereits fünfzig Rückmeldungen. Eine Studentin erzählte, dass eine weiße Studentin ihr sagte, sie solle sich glücklich schätzen, dass sie schwarz ist, weil sie daraus Inspiration für ihre Kunst schöpfen kann. Ein*e andere*r Student*in setzte sich in einer Arbeit mit der deutschen Kolonialgeschichte auseinander. Als Feedback meinte die Dozentin, dass sie*er nicht erwarten sollte, dass sich das Publikum damit auskenne, da die deutsche Kolonialgeschichte nichts mit der deutschen Geschichte zu tun habe. Ein*e Student*in berichtete, dass sie*er für ihr*sein Bachelor-Abschluss-Gespräch ein anti-rassistisches Dialogformat für PoC produziert habe. Einer seiner weißen Prüfer meinte dann: “Ich frag mich, wer sich sowas anguckt, ob es Leute gibt, die sowas sehen wollen.”

Es sind Geschichten wie diese, mit denen die Initiative #exitracismUDK zeigen will, dass eine Auseinandersetzung mit dem Thema Diskriminierung an der UdK nötig ist. “Es ist eine unbequeme Wahrheit, aber wir bestehen darauf, dass es rassistische Strukturen innerhalb der UdK gibt”, sagt ein Mitglied der Initiative, das nicht namentlich genannt werden möchte. Die Studierenden fordern, dass die UdK einen “rassismuskritischen Blick in die eigene Institution wirft” und sich für eine “diversitätsorientierte und antirassistische Organisationsentwicklung einsetzt”.
Oft hätten Betroffene das Gefühl, dass sie nicht ernst genommen werden oder als empfindlich abgestempelt werden. Deshalb hat die Initiative einen offenen Brief an die Studiengangsleitung verfasst. Mittlerweile haben ihn über 500 Studierende unterzeichnet, darunter auch 22 Lehrende und Mitarbeiter*innen der UdK. Es gab aber auch Dozierende, die den offenen Brief der #exitracismUDK Initiative als zu “polarisierend” kritisiert haben, so ein Mitglied der Initiative.
“Es gibt immer noch sehr viele blinde Flecken, was das Thema angeht”, sagt auch Sarah Naira Herfurth. Sie ist für das AStA-Referat für Interkulturelles und Antidiskriminierung an der UdK zuständig und sieht das Problem vor allem darin, dass die UdK keine offizielle, intersektionale Antidiskriminierungsstelle hat. “Dass kein Budget für eine solche Stelle da ist, muss sich ändern”, sagt sie.

Derzeit übernimmt vor allem die Studierendenschaft** die Aufgaben einer Anlaufstelle für Studierende mit Diskriminierungserfahrung innerhalb der UdK. Mit Diskriminierungserfahrungen muss aber bedacht und strukturiert umgegangen werden, deshalb hält es Herfurth für nicht mehr tragbar, diese Verantwortung nicht entsprechend ausgebildeten Studierenden zu übergeben. Um die vielen unterschiedlichen studentischen Initiativen zusammenzubringen, die sich alle für eine chancengerechte UdK einsetzen, gründete Herfurth im Juni die AG Intersektionale Antidiskriminierung. Die drei dringlichsten Forderungen: Es soll eine hauptamtliches, intersektional besetztes Antidiskriminierungsbüro geschaffen werden. Die Problematik der Deutsch-Sprachkurse soll gelöst werden. Diese sind momentan sehr teuer und gelten nur innerhalb der UdK. Das ist vor allem für ausländische Studierende problematisch, bei denen Sprachzertifikate für deren Aufenthaltserlaubnis relevant sind. Und die Erarbeitung einer Diversity Policy soll institutionell, personell und finanziell unterstützt werden.
Diese sowie weitere 16 Forderungen stellte die AG der Hochschulleitung Anfang Juli vor. Die UdK möchte mit den Studierenden zu dem Thema weiterhin im Dialog bleiben und deren “konstruktive Zusammenarbeit” fortsetzen. Der Initiative ist vor allem wichtig, dass die Hochschulleitung realisiert, dass das Problem Rassismus von ihr angegangen werden muss und nicht von Seiten der Betroffenen. “Wir haben Lärm gemacht, aber jetzt muss die Universität klar Stellung beziehen”, sagt einer der Initiator*innen.
Der Critical Diversity Blog der UdK sammelt Berichte von Mitarbeiter*innen, Studierenden und Alumnis der UdK, die Diskriminierung erfahren haben. Den anonymen Fragebogen findet ihr hier.
* Die AG Intersektionale Antidiskriminierung setzt sich aus AStA Referat für Antidiskriminierung und Interkulturelles, Ausschuss für Antidiskriminierung, Interkulturelle Diversität und Empowerment, Ausschuss für Gleichstellung und Soziales, I.D.A, Interflugs, Common Ground, b.i.t.t.a FSR BK, FSR ARCH zusammen.
** Die Studierendenschaft besteht derzeit aus dem Referat für Antidiskriminierung und Interkulturelles im AStA, der daraus gegründeten Initiative I.D.A, der Fachschaften und dem Interkulturellen Mentoring.