21. August 2020
Sabina ZollnerDie Humanistin
Mo Asumang – Eine Geschichte über eine schwarze Frau, die Rassisten aus aller Welt traf und dabei nicht den Glauben an Menschlichkeit verlor
Zwischen den roten Backsteinen der Oberbaumbrücke und der kahlen Fassade des Watergates versteckt sich ein kleines Ufer – das May-Ayim-Ufer – benannt nach May Ayim, einer Dichterin, Aktivistin und eine der wichtigsten Stimmen der Schwarzen Bewegung in Deutschland. 24 Jahre nach deren Tod sitzt an demselben Ufer Mo Asumang, Filmemacherin, Schriftstellerin und Autorin. Sie trägt eine dunkelgraue Jogginghose, Sneakers und eine Sonnenbrille. Asumang hat diesen Ort vorgeschlagen. Sie kannte May Ayim, erinnert sich an Abende in der Küche mit ihr und anderen Mitgliedern der schwarzen Bewegung im Schöneberg der 90er Jahre. “Wir haben damals gemerkt, da sind noch andere, die das Ggleiche erlebt haben wie man selbst. Das war sehr schön. Und May Ayim hat das ganze angeschoben, dafür bin ich ihr sehr dankbar.”
Zwei Kilometer von dem May-Ayim-Ufer entfernt ist das Paul-Lincke-Ufer. Ein Ort, der für die Schriftstellerin eine schlimme Erinnerung trägt. Dort wurde sie vor einigen Jahren am 1. Mai von fünf Polizisten verfolgt, zu Boden geworfen und verprügelt. Davon erzählt sie bei Markus Lanz in einer Diskussionsrunde über die Protestwellen in den USA nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd. Als Markus Lanz naiv beteuert, dass Deutschland doch eigentlich ein tolerantes Land sei, antwortet sie mit einem sarkastischen Lächeln auf den Lippen: “Wenn Sie jetzt mit mir und der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland so einen kleinen Ausflug nach Brandenburg machen würden, dann würden Sie es sehr wahrscheinlich ganz anders sehen.”

Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Foto: Gaby Gerster
Mo Asumangs Erfahrungen mit Diskriminierung ziehen sich wie ein dunkles Band durch ihren Lebenslauf. Gleich nach Mos Geburt wird die Familie Asumang aus der gemeinsamen Wohnung in Kassel geworfen – wegen der Hautfarbe des Babys. Doch auch als Teenagerin und Erwachsene erfuhr sie immer wieder Diskriminierung. “Mir hat einfach Community gefehlt. Alles war ein Struggle.” Ein Gefühl des Alleinseins bringt Mo mit siebzehn fast soweit, sich das Leben zu nehmen. In den 90er Jahren studiert sie Klassischen Gesang an der Universität der Künste in Berlin und arbeitet nebenbei als Taxifahrerin. Eines Tages wird sie während der Fahrt von einem Nazi mit einer 5mm-Pistole bedroht, ein anderes Mal schlägt ein Rechtsextremer ihren Kopf gegen die Windschutzscheibe. Zur Anzeige hat sie diese beiden Fälle nie gebracht. “Ich komme aus diesem Background, unterdrückt und klein gemacht zu werden. Irgendwann denkst du, das gehört einfach dazu”.
Wenn sie heute über ihre Vergangenheit spricht, dann hört es sich so an, als wäre es nicht die ihre. Vielleicht auch, weil sie ihre Geschichte schon oft erzählt hat. Sie ist in die Öffentlichkeit gegangen, auch aus der Überzeugung, andere Menschen mit Diskriminierungserfahrungen zu empowern. Doch es ist nicht nur ihre Geschichte, die sie in die Öffentlichkeit treibt. Bekannt wird Mo Asumang als erste afrodeutsche Moderatorin der Erotiksendung “Liebe Sünde”. Eigentlich wollte sie Opernsängerin werden oder Operndiva, wie sie es nennt. Was eine Operndiva sei, beantwortet sie mit: “Naja die Berühmteste eben.” Doch dann kam das Berliner Nachtleben dazwischen. “Wenn du morgens um 4 Uhr nach Hause kommst und dann um 8 Uhr zum Gesangsunterricht musst, dann stell dir mal meine Stimme vor. Da kannst du Blues-Sängerin werden, aber nicht Operndiva”, sagt sie lachend.
Heute denkt sie, das hat auch mit ihren Rassismuserfahrungen zu tun. “Dieses exzessive Nachtleben, das ich betrieben habe war auch eine Suche oder eine Ablenkung vom Schmerz.” Als Asumang eine Morddrohung von der Nazi-Band White Aryan Rebels erhält, holt sie das Thema Rassismus wieder radikal ein. Sie hatte das Bedürfnis diesen Hass verstehen zu lernen und sich gleichzeitig ihrer Angst vor Rechten zu stellen. So entstand Asumangs Film “Roots Germania” und später folgt ihr zweiter Film: “Die Arier”. In diesem Film trifft sie Neonazis aus der ganzen Welt und konfrontiert diese mit ihrer Ideologie. In einer Szene trifft Asumang einen NPD-Anhänger bei einer Kundgebung und fragt ihn, auf welche Art und Weise er Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland ausweisen will. Dieser antwortet, dass alle in ihre Heimatländer “zurückgeflogen” werden sollen. Asumang entgegnet: “Wie soll ich denn meine ganzen Möbel heimfliegen?” Es sind Szenen wie diese, die Asumangs Filme und ihre Art ausmachen.
Seit mehreren Jahren hält sie vor allem Vorträge an Schulen, bei denen sie über Rassismus aufklärt. Ihren Kampf gegen Rassismus will sie nicht aufgeben: “Es gibt noch zu viele Menschen, die Wut mit Wut begegnen.” Für ihr Engagement erhielt sie im vergangenen Jahr das Bundesverdienstkreuz. Ihre Art auf Nazis zuzugehen, ihnen nicht mit Hass, sondern mit einer Aufgeschlossenheit zu begegnen, wurde ihr oft als naiv vorgeworfen. Auch in ihrem privaten Umfeld stieß sie mit ihrem Ansatz auf viel Unverständnis. Doch sie versteht die Kritik nicht: “Das Fatale ist ja genau, dass wir nicht mit denen sprechen. Nur weil sie eine andere Meinung haben? So what?”
Asumangs erster Film ist mittlerweile dreizehn Jahre her, die AfD sitzt seit drei Jahren im Bundestag und Rechtspopulisten gewinnen weltweit stetig mehr Anhänger. “Manchmal frage ich mich schon: Was mache ich da eigentlich? Ich rede mir da den Mund fusselig in Schulen. Dann kommt Pegida und die AfD und alles wird noch schlimmer”, sagt Asumang. Wenn man sie fragt, was sie in den letzten Jahren über Rassismus gelernt hat, fallen ihr viele Dinge ein. “Ich habe gelernt, dass jedes Leben wertvoll ist.” Doch auch Asumangs Menschlichkeit hat Grenzen. Für sie sei bei AfD Politikern Hopfen und Malz verloren. “Manche haben mich glaube ich falsch verstanden. AfD-Leute die ganze Zeit zu Talkshows einzuladen und ihnen eine Platform zu geben, das habe ich nicht mit meinen Filmen gemeint.” Auf deren Wähler*innen sollte man sich konzentrieren, so Asumang. Dahinter steckt ihr tiefer Glaube, dass Menschen sich ändern können. Das ist auch etwas, an das die schwarze Aktivistin May Ayim geglaubt hat. Wie sie in ihrem Gedicht “Liebe” schreibt: „geben / ohne zu verlangen / nehmen / ohne zu besitzen / teilen / ohne warum / stark werden / für / die freiheit.“