15. September 2020
Ben-Robin KönigJam Band Machina
Das kanadische Trio Cobblestone Jazz versteht sich eigentlich als Liveband, ihre Tonträger haben entsprechenden Seltenheitswert. Die “Northern Lights”- EP transferiert den experimentellen Gedanken von Jam-Sessions auf Schallplatte.

© Itiswhatitis Recordings, 2015. Foto: Ben-Robin König
Nehmen was man kriegen kann – eigentlich nicht unbedingt das allerbeste Mantra; und doch ist es bei Fans so manch einer Band Modus Operandi. Derlei Wertschätzung kommt nur jenen Künstler*innen zugute, die weitestgehend unter dem Radar des musikmedialen Diskurses fliegen, deren seltener Output dann aber doch schleunigst ausverkauft ist. Die kanadische Kombo Cobblestone Jazz um Mathew Johnson, Danuel Tate und Tyger Dhula fällt in diese Kategorie.
Es brauchte fast ein Jahrzehnt, ehe ihr Debütalbum 23 Seconds im Jahr 2007 den Weg in die Plattenregale fand. Dessen Produktion indes ging schnell vonstatten: Trotz rein elektronischem Equipment, wie MPC60-Samplern, SH-101-Synthesizern und Drumcomputern wie TR-808 und TR-909 – allesamt Koryphäen der studiobasierten (Musik)Produktionstechnik –, folgen ihre Aufnahmen stets dem Ethos einer Jam Band. Die Stücke entstehen aus der Improvisation einer Session heraus, die Dynamik dabei bleibt klassisch jazzy. Zwischen Aktion und Reaktion übernehmen die verschiedenen Instrumente abwechselnd die Führung, weniger flamboyant bleibt allein die Ausprägung ihrer Musik; einmal eingegroovt, passiert oft herzlich wenig.
So auch auf ihrer letzten, 2015 erschienenen Northern Lights-EP. Nur zwei Stücke, die es zusammen immerhin auf knapp 25 Minuten bringen. Das titelgebende Herzstück der EP beginnt wie ein arhythmisches Ambientstück. Das unbestimmte Flirren der glitschigen Hi-Hats wird jedoch alsbald um den Duktus einer warmen Kick erweitert. Allein das sich stetig wandelnde Wabern der geisterhaften Synths vermag Antwort genug sein auf die Frage, wie viel Improvisation unter dem Gerüst eines klassisch-technoiden 4/4-Takts möglich ist. Der Komplexität dieses flächigen Zusammenspiels jedoch kann ein Text nur schwerlich Rechnung tragen. Man kann sich durchaus verlieren in der Vielschichtigkeit von Northern Lights, möchte in ihr verharren, an Decke oder Himmel starren und darauf hoffen, die Fahrt möge niemals enden, mindestens aber bei Sonnenaufgang stattfinden.
Die B-Seite Drawn From the Side of Crime hingegen nutzt das gegenteilige Momentum möglichst geringer akustischer Wandlung. Ein träger Bass setzt das schläfrige Grundgerüst, in seinem Nachhall räuspern sich vereinzelt reverblastige Percussions. Die Hi-Hats sind derart schüchtern, dass auch sie sich nur durch gelegentliches Aufzischen Gehör verschaffen. Einzig das Piano unterbricht immer wieder die Trance dieses Echoraums, wechselt zwischen langen Akkorden und stakkatohafter Improvisation. Vor dem inneren Auge wächst die Dynamik einer eingespielten Band, die seltsamerweise vor Maschinen sitzt. Gerade in der elektronischen Musik sollte man keine voreiligen Schlüsse aus Namen ziehen – Cobblestone Jazz geben ihrer Selbstbezeichnung alle Ehre.
Cobblestone Jazz: Northern Lights, EP, Itiswhatitis Recordings, 2015