17. January 2021
Victor MarquardtUndercover Art – Kunst am Bau beim BND
Die Zentrale des Bundesnachrichtendienstes gilt architektonisch als umstritten. Auf dem Gelände des monumentalen Neubaus hat sich zwischen Stahlbeton und Glas auch ein wenig Kunst am Bau versteckt.
Berlins flächenmäßig zweitgrößtes Gebäude befindet sich in der Chausseestraße an der Grenze zwischen Mitte und Wedding. Es ist ein gigantischer Bau, der einen beim Davorstehen beinahe erschlägt. Die Anwohner werden sich wahrscheinlich ganz besonders über die neue Aussicht gefreut haben. Aber um die Architektur soll es heute nicht gehen. Heute geht es um die Kunst.
Wird ein neues Gebäude geplant, ist ein festgelegter Prozentsatz der Baukosten der sogenannten Kunst am Bau vorbehalten. Vor allem bei besonders großen und teuren Bauprojekten, wie der Zentrale des Bundesnachrichtendienstes, bei der es sich, die wie der Name schon verrät, um ein staatliches Gebäude handelt, ist eine nicht unwesentliche Menge an Kunstobjekten zu erwarten. Könnte man meinen. Denn an Kunst denkt man auf dem gesamten BND-Gelände eigentlich nur beim folgenden Objekt:

Im Bereich der Vorfahrt zum Hauptgebäude befindet sich ein 9,6 × 19,8 × 4,2 Meter messender monolithischer Körper aus rostfarbenem Cortenstahl. Das kolossale Objekt des Künstlers Stefan Sous nimmt einen wesentlichen Raum inmitten des Entrée-Bereichs ein und balanciert einseitig auf der abfallenden Einfahrtsrampe.
Laut Interpretation des Künstlers soll “die Skulptur als autarkes, fremdes, unergründliches Ding einen subtilen Hinweis auf die Funktion des BND geben: das Unbekannte aufklären und die eigenen Geheimnisse bewahren.” Das Kunstwerk passt sich der äußerst unterkühlten Umgebung an, gliedert sich ein, hebt sich aber auch gleichzeitig mit der rostigen Farbgebung und der felsartigen Struktur sehr kontrastreich von der weiß-grauen Fassade des Gebäudes ab.
Man kann das Ding als Kunstwerk zwar akzeptieren, wer sich allerdings mit Stefan Sous’ Interpretation im Voraus nicht vertraut gemacht hat, wüsste auch bei längerer Betrachtung nicht unbedingt, welche Botschaft die Skulptur übermitteln will.
Von offensichtlicher nun zu nicht unbedingt offensichtlicher Kunst. Wer sich von der Frontseite des Gebäudes auf den langen Weg von knapp einem Kilometer rund um das Gelände macht, wird auf der Gebäuderückseite in Richtung Pankepark zwei kerzengerade, 22 Meter hohe Palmen entdecken. Man beachte: Diese Palmen sind nicht echt – die sind Kunst.

Die beiden Palmenskulpturen des Künstlers Ulrich Brüschke tragen den Namen 0° Breite und selbstverständlich haben die in diversen Grün-Nuancen gehaltenen Kunstwerke genau wie der Monolith auch eine Botschaft mit engem Bezug zum Hausherrn im Gepäck. 0° Breite soll nach Angaben des BND für die Ferne und fremde Kultur stehen.
Ein äußerst modernes Bild, das man in Deutschland von der “Ferne” hat: Palmen. Das regt doch zum Nachdenken und Schwelgen an. Seit sie da stehen, wird immer wieder spekuliert, ob es sich bei der Konstruktion um getarnte Abhöranlagen handeln könnte. Doch das nur als Funfact am Rande.
Die Zentrale des Bundesnachrichtendienstes: ein gigantisches Gebäude mit gerade einmal drei öffentlich sichtbaren Kunstwerken. Das ist etwas mager. Geht da nicht noch mehr? Bei Gesamtbaukosten von über einer Milliarde Euro hätte ruhig etwas mehr für die Kunst rausspringen können. Und überhaupt, wenn das Gesetz einen bestimmten Prozentsatz Kunst am Bau bei einem neuen Gebäude vorschreibt, warum hat dann ein Neubau des Bundes so wenig davon zu bieten? Fragen über Fragen, an deren Beantwortung der BND vielleicht gerade schon fieberhaft arbeitet.