03. February 2021
Seija SeidemannWortSchatz: Buch
Was ist eigentlich ein Kinkerlitzchen? Warum zieht es wie Hechtsuppe? Und was soll diese grüne Neune sein? Unsere Textkategorie WortSchatz ist die Fundgrube von Praxis. Hier graben wir nach Urgesteinen der Sprache, schürfen nach goldenen Zeichen und fördern allerlei verborgene Bedeutung zu Tage.

Heute schon ein Buch aufgeschlagen? Warum schlägt man es überhaupt auf? Und woher kommt der Begriff Buch?
Zu den Ursprüngen des Wortes gibt es verschiedene Theorien, von denen keine wirklich bewiesen ist. Die wohl bekannteste erläutern und belegen die berühmten Märchenchronisten Jacob und Wilhelm Grimm im Deutschen Wörterbuch.
Die Griechen hätten für Bast und Buch dasselbe Wort genutzt – βίβλος. Mit Bast sind die Fasern der Papyruspflanze gemeint, aus denen Papyrus gefertigt wurde, der Vorläufer des Papiers. Womit gleich der sprachliche Ursprung von Papier geklärt wäre. Die Römer taten es den Griechen gleich: LIBER bezeichnete das Buch, aber auch den Bast und sogar das Geschriebene. Das Beschreibmaterial an sich wurde also genauso genannt wie die zu einem Ganzen verbundenen Materialien. Eine ähnliche Entwicklung ist den Brüdern Grimm zufolge auch für den deutschen Begriff denkbar. Denn wurden die wichtigen Informationen in langlebige Steintafeln geritzt, fanden für private und weniger wichtige Aufzeichnungen buchene Bretter Verwendung. Die zu einem Ganzen verbundenen Buchen(bretter) sind dieser Logik folgend also ein Buch. Die Grimms fanden für ihre Theorie noch einen weiteren Beleg: Der Codex, der mehrere zusammengebundene und zum Beschreiben vorgesehene Holztafeln (später auch Blätter aus Papyrus) bezeichnet, ist dem lateinischen CAUDEX entlehnt. CAUDEX bedeutet Stamm oder Klotz aus Holz.
In historischen Wörterbüchern sind aber noch weitere Herleitungen zu entdecken. Im Schweizerischen Idiotikon hat der Begriff Buech fünf Bedeutungen. Eine sehr alte Verwendung des Wortes stammt aus einer Zeit, als Bauern des Schreibens und Lesens meist nicht mächtig waren. Buech bezeichnete damals einen Holzstab – häufig aus Buche und somit ein Buchenstab – auf dem mittels Hausmarken, einer Art Wappen, der Grundbesitz vermerkt wurde. Dabei handelt es sich um eine frühe Form der Buchführung.
Das Buchen, was das Notieren und Verrechnen von Waren oder Zahlungen meint, wird in vielen Wörterbüchern direkt dem Wort Buch zugeordnet. Es ergibt also durchaus Sinn, dass die Herleitung zu unserem heutigen Buch, in der Buchführung, dem Buech und Buchenstab liegt.
Sehr viel einfacher zu erklären ist hingegen der Ursprung der Formulierung, ein ‘Buch aufschlagen‘. Ab dem Mittelalter wurden Texte, die anfangs auf Pergament, seltener auf Papyrus, und später auf Hadernpapier geschrieben oder gedruckt wurden, von einem Buchbinder mit Nadel und Faden zu einem Buch verbunden oder besser gebunden. Der Buchblock wurde (und wird bis heute) von zwei Buchdeckeln geschützt. Im Mittelalter waren sie aus Holz und zusätzlich durch sogenannte Schließen gesichert: Stabile Lederstreifen, meistens zwei, waren am hinteren Buchdeckel befestigt und endeten auf der Vorderseite in verzierten Haken. Diese griffen in passende Ösen und hielten das Buch fest verschlossen. Alles wurde so gefertigt, dass die Schließen unter Spannung standen. Um das Buch zu öffnen, wurde mit der Faust kräftig auf den Deckel geschlagen. Der Schlag drückte den Deckel nach unten und die Schließen sprangen auf. Das Buch wurde also im wortwörtlichen Sinn auf-geschlagen. Übrigens ist es technisch unmöglich, auf diese Weise ein Buch nach Gebrauch wieder zuzuschlagen.