Auf der Suche nach einer Bleibe

Die rot-rot-grüne Regierung hat seit Jahren Wohnhäuser in Berlin verkauft. Auch alternative Kulturprojekte müssen weichen. Nachdem sich feministische Schutzräume, Kinderläden oder andere alternative Projekte nicht halten konnten, sucht nun das selbstverwaltete Jugendzentrum Potse nach einer neuen Bleibe, um der Räumung zu entkommen.

“Potse bleibt!”, heißt es auf dem Banner an der Hauswand. Foto: Linda Peikert

“Welcome Potse” steht in gelb-roten Buchstaben auf einem Banner. In der Rathenower Straße 16 in Moabit wäre das selbstverwaltete Jugendzentrum Potse, das fünf Kilometer entfernt in Schöneberg von Räumung bedroht ist, willkommen, denn Aktivist:innen kämpfen für den kompletten Erhalt des großen Gebäudekomplexes. Momentan stehen große Teile des Gebäudes leer, und das seit Jahren. Ursprünglich war hier mal ein Kinder- und Jugendheim. Die Jugendlichen der Potse finden den zentralen Standort in Moabit sowie die Räumlichkeiten gut, doch die Politik möchte genau den infragekommenden Teil des Backsteinkomplexes abreißen. Die Suche nach leerstehenden, geeigneten Räumlichkeiten zieht sich seit über einem Jahr hin. Berlin ist voll, und in zentraler Lage scheinen sich nur mit Eigentum oder viel Geld Projekte realisieren zu lassen. Beides hat das Potse Kollektiv nicht.

“Von Punks für Punks” bezeichnet sich das Kollektiv auf der eigenen rot-schwarzen Homepage im Neunzigerjahrestil. Seit über 35 Jahren organisieren die Mitglieder der Potse Konzerte und Veranstaltungen in ihren Räumlichkeiten in der Potsdamer Straße 180 im rausgeputzten Schöneberg. Sie verlangen keinen Eintritt, Getränke gibt es für günstige Preise und Bands haben die Möglichkeit, sich einen Gig klar zu machen. 

Ende 2018 wurde der Mietvertrag nicht verlängert und das kulturschaffende Kollektiv hätte die Räumlichkeiten verlassen müssen. Doch sie sind geblieben. Bis heute halten sie die Räume in der Potsdamer Straße 180 besetzt und sind parallel auf der Suche nach einem geeigneten Ersatzobjekt. Jugendstadtrat Oliver Schworck (SPD) hat nun Ende 2020 den Jugendlichen das Rockhaus in Lichtenberg vorgeschlagen. Das passt aber weder von der Lage, noch vom Grundschnitt. Aber Schworck setzt die Jugendlichen unter Druck: Entweder sie nehmen das Angebot an oder sie werden in der Potsdamer Straße 180 geräumt. Sie lehnen trotzdem ab. In ihrem Statement auf Facebook heißt es: “Wir können unsere Angebote in den gegebenen Räumlichkeiten nicht umsetzten und würden uns damit quasi handlungsunfähig machen.” Es wirkt, als hätte sich das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg nicht sonderlich Mühe gegeben bei der Suche nach Ersatzobjekten. Auch dass die Wahl der Politiker:innen ausgerechnet auf ein Objekt am anderen Ende der Stadt fällt, ist auffällig. Sollen die Punks aus dem eher feinen Schöneberg verbannt werden? Wären die lokalen Politiker:innen ganz froh, wenn bunte Haare und Nietengürtel aus ihrem Bezirk verschwinden?

Die zu erwartende Räumung würde sich in die schon vollzogenen unter der rot-rot-grünen Landesregierung einreihen: Letztes Jahr wurden die linke Kneipe Syndikat und das anarcho-queerfeministische Hausprojekt Liebig 34 geräumt. Vergangenes Wochenende kam die Räumung der Zeltstadt an der Rummelsburger Bucht unter dem Vorwand der Kälteevakuierung hinzu. Der Platz ist nun für das umstrittene Aquariumprojekt frei. Alternative Kulturinstitutionen und nicht-kommerzielle Gemeinschaftsprojekte sterben so Stück für Stück.

Allerdings sind es doch linke und nicht-kommerzielle Projekte, die Pluralität und ein buntes kulturelles Angebot schaffen, doch Investor:innen mit kapitalistischen Interessen scheinen für die Politik:innen auch in Berlin mehr zu zählen. Warum sich das Land nicht für den Erhalt subkultureller Einrichtungen einsetzt, ist schwer zu verstehen. Sie sind schließlich die, die der Stadt zu ihrem weltweiten Ruf “alles ist möglich in Berlin” verhelfen. Die Gentrifizierung scheint aber auch für Politiker:innen aus dem linken Spektrum unaufhaltbar zu sein. Das Zuständigkeitswirrwarr aus jeweiliger Bezirks- und Landesregierung macht die Problematik noch komplexer.

Die Potse stammt aus der Hausbesetzer*innen-Zeit der 1980er Jahre: In West-Berlin startete eine neue, politisierte Bewegung, um Leerstand mit Leben zu füllen.
Räume zu haben, in denen Veranstaltungen und Konzerte stattfinden können, ohne Eintritt verlangen zu müssen, ist ein wichtiges, niederschwelliges Angebot für mittellose Besucher:innen und Newcomer-Künstler:innen. Außerdem gehören diese Projekte inzwischen zum Erbe und sollten gesonderten Schutz erhalten, so dass ihre Mietverträge nicht schlicht gekündigt werden können.

Die Potse bereichert Berlin mit einem Kulturangebot, das nur durch das Engagement der Jugendlichen möglich ist. Neben Plena und Veranstaltungsorganisation arbeiten sie auch unentgeltlich hinter dem Tresen. Alles Geld fließt in die Instandhaltung ihrer Räume und der Technik. Sie sind selbstverwaltet, machen selbstständig ihr Ding und bringen somit einen Mehrwert für die Gesellschaft. 

Statt diese Projekte unter besonderen Schutz zu stellen, werden ihnen Steine in den Weg gelegt. Doch Konzerträumlichkeiten mit Nebenzimmern mitten in Berlin sind inzwischen kaum noch vorhanden. Da stellen sich Fragen: Wem gehören die Häuser? Hat Rot-Rot die Stadt verkauft? Wo bleibt der Raum für alternative Kulturveranstaltungen? Würde ein Gewerbebestandsschutz Kinderläden, Frauenschutzräumen und selbstverwalteten Jugendzentren helfen? Wahrscheinlich nicht. Man versucht den Kapitalismus zu überlisten, aber das ist in einem kapitalistischen System nicht so leicht. Die Handlungsspielräume sind zurzeit sehr klein. Fängt man wieder mit Besetzungen an? Wie lassen sich die wichtigen Begegnungsstätten sonst retten?