11. April 2021
Victor MarquardtWas lange währt – Sorgenkind Staatsoper
Die Staatsoper Unter den Linden hat eine turbulente Vergangenheit hinter sich. Zerbombt, abgebrannt, modernisiert: Das Opernhaus in Berlin-Mitte kann nicht nur auf viele unvergessliche Vorstellungen zurückblicken.

Foto: Victor Marquardt
Die Deutsche Staatsoper Berlin am Prachtboulevard Unter den Linden ist eines von drei Opernhäusern in der Hauptstadt. Von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff entworfen, wurde sie von 1741 bis 1743 errichtet. Recht schnell für Berliner Verhältnisse. Im Zweiten Weltkrieg zerstört, begann 1951 der vierjährige Wiederaufbau der Staatsoper nach Originalplänen sowie Entwürfen von Richard Paulick. Nach über 60 Jahren Spielbetrieb mit zahlreichen Uraufführungen und Premieren war es 2009 Zeit für eine Generalsanierung – die Staatsoper Unter den Linden fiel in einen Dornröschenschlaf, aus dem sie sieben Jahre nicht mehr erwachte.
Schon vor Beginn der Sanierung, mit der auch Verbesserungen der Akustik und der Sichtverhältnisse im Zuschauerraum erreicht werden sollten, führte ein moderner Entwurf des Architekten Klaus Roth zu heftigen Kontroversen. Der Entwurf sah den kompletten Abriss des Innenraums vor. Die Reaktionen waren überwiegend ablehnend. Daraufhin ließ der damalige Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit, der gleichzeitig auch die Funktion des Kultursenators innehatte, die Sanierung neu ausschreiben. Unter der Bedingung, dass der neu gestaltete Zuschauerraum sich an den Plänen von Richard Paulick orientieren sollte, begannen Anfang 2010 die Baumaßnahmen. Das Staatsopernensemble zog derweil in das Schillertheater in der Bismarckstraße in Charlottenburg.
Eine der größten Hürden sollte während der Sanierung die künstliche Verlängerung der Nachhallzeit der Musik im Zuschauerraum werden. Auf Wunsch des Generalmusikdirektors Daniel Barenboim wurde nach langen Berechnungen von Statik und Kosten die Decke des Zuschauerraumes um vier Meter angehoben. Das Raumvolumen vergrößerte sich somit von 6500 auf 9500 m³. Die baulichen Veränderungen erhöhten die Nachhallzeit von rund 1,1 auf 1,6 Sekunden.
Im September 2010 wurden die Baukosten auf 239 Millionen Euro veranschlagt, wovon der Bund 200 Millionen Euro übernehmen sollte und das Land Berlin 39 Millionen Euro. Für das Operngebäude waren 126 Millionen Euro eingeplant, für Intendanzgebäude, Probenzentrum und Verbindungstunnel zwischen Probenzentrum und Operngebäude 90 Millionen Euro. Im Februar 2018 wurden die Baukosten auf 440 Millionen Euro beziffert, womit sie sich nahezu verdoppelten.
Während dieser Maßnahmen wurden von Berliner Oppositionspolitikern die fehlende Transparenz bei der Kostenbezifferung und der tatsächlichen Dauer der Sanierungsarbeiten bemängelt.
Daraufhin beschloss das Abgeordnetenhaus von Berlin im März 2015 unter dem Vorsitz des Linken-Abgeordneten Wolfgang Brauer die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Dieser sollte die Ursachen, Konsequenzen und die Verantwortung für die Kosten- und Terminüberschreitungen bei der Sanierung der Staatsoper aufklären. Bei Vorlage des Abschlussberichts durch den Untersuchungsausschuss im Juni 2016, in dem den Verantwortlichen die systematische Verschleierung der oben genannten Probleme zur Last gelegt wurde, lehnte die Regierungsseite zahlreiche Anträge ab. Deshalb fiel der finale Abschlussbericht wesentlich unkritischer und glattgebügelter aus als im ursprünglichen Antrag. Der Tenor war, dass viele Kosten notwendig gewesen seien, um eine hochwertige und angemessene Sanierung gewährleisten zu können. Dies habe folglich auch mehr Zeit in Anspruch genommen. Die Kritik am Ausgang des Untersuchungsausschusses war vor allem von Seiten der Opposition groß.
Tatsächlich habe sich nach Angaben des Generalmusikdirektors Daniel Barenboim die Kostensteigerung allerdings mehr als gelohnt. Die Akustik im Zuschauerraum der Staatsoper sei nun nahezu perfekt. Nicht nur habe das Anheben der Saaldecke zur Verlängerung der Nachhallzeit geführt, zusätzlich haben die Zuschauer im dritten Rang auch mehr Platz über ihren Köpfen.
Nach siebenjähriger Sanierung eröffnete die Staatsoper Unter den Linden mit Beginn der Spielzeit 2017/18 am 7. Dezember 2017 mit einem Jubiläumskonzert anlässlich 275 Jahren Staatsoper. Die erste Opernaufführung nach der Sanierung folgte einen Tag später mit Engelbert Humperdincks Hänsel und Gretel unter der Leitung von Sebastian Weigle.
Die Staatsoper Unter den Linden ist – wie auch alle anderen Theater und Opernhäuser in Berlin – seit Beginn des Lockdowns im November 2020 für Vorstellungen mit Zuschauern geschlossen und kann trotz umfangreicher Hygienekonzepte nicht auf einen baldigen regulären Spielbetrieb hoffen.