Heute: Zmiemr umsletlen!

Woher kommt der Drang, regelmäßig die eigenen vier Wände neu zu gestalten – und was verraten Räume ihren Bewohner*innen? Eine Liebeserklärung. 

Foto: Samuel Regan Asante auf Unsplash

Ich wohne in einem Sonnenzimmer: vier Wände, zwei Fenster Richtung Osten. Sobald die Magnolien blühen, gestalte ich mein Zimmer neu. Regale werden ausgeräumt und über das Parkett gezerrt. Ich nehme den Schreibtisch auseinander und ordne sein Innenleben neu. Kabelsalate werden auseinander gefriemelt und neu verlegt. Vergessene Ecken glänzen staubbefreit. Das Bett findet ein neues Zuhause auf der anderen Zimmerseite. Bilder verschwinden und Pflanzen müssen sich an einen anderen Standort gewöhnen. Frühling bedeutet Zimmerumstellen. Herbst auch.

Denn Lebensumstände ändern sich – selbst, wenn es nur die Jahreszeiten sind – und mit ihnen die Wohnbedürfnisse. Im Winter schlief ich eingekuschelt zwischen Wand und Ofen, jetzt streichelt mich morgens direkt unter dem Fenster die Sonne aus dem Schlaf. Letzten Herbst wollte ich endlich meine ungelesenen Bücherberge erklimmen, also zog das Bücherregal neben das Bett. Am Schreibtisch sammelte ich dafür alle Sonnenstunden ein, die Winter und Homeoffice zuließen. Aber nach ein paar Monaten sehe ich mich satt an Fotografien und Postern und bin die Routine leid: alles zu oft gemacht, zu etabliert und zu viel angestarrt. Ich will Perspektivwechsel.

Zimmerumstellen – das Trendbedürfnis

Möbel umzustellen scheint die billigste Art des Reisens zu sein, kostet aber auch: Zeit, Nerven und zumindest ein paar Quadratmeter Platz. Zuerst muss die alte Ordnung aufgehoben, das Chaos zelebriert werden. Alles wird ausgeräumt und abgenommen – gleichzeitig natürlich. Erst im vollkommenen Kuddelmuddel kann sich entscheiden, welche Gegenstände welchen Platz erlangen und welche archiviert werden, um das nächste Mal eine Wiederentdeckung zu feiern.

Wer Inspiration sucht, findet schnell: der Markt bietet unzählige Hochglanzmagazine, und die Anzahl der Pinterest-Boards zum Thema Interieur ist erschlagend. Manchmal sitze ich verträumt und erschöpft in meinem Umstell-Chaos und frage mich, ob Zimmerumstellen ein Trendbedürfnis ist. Wie die Bilderflut zum Thema Inneneinrichtung die Menschen unzufrieden macht. Bin ich auch so ein Mensch? Da ich nach wie vor keine Pflanzenleiter besitze und nie eine Mondphasenkette über meinem Bett glitzerte, erlaube ich mir ein beruhigendes Kopfschütteln (schön wär sowas natürlich trotzdem).

Der Raum, das bin ich

Aber Umstellen ist viel mehr als Reisen und Abwechslung, denn der Wohnraum ist schließlich auch die Bühne, auf der sich das Leben abspielt – heute mehr denn je. Tatsächlich ist Lebensraum auch Ausdruck des Innenlebens. Jetzt, in Videokonferenz-Zeiten, können selbst Kommiliton*innen und Kolleg*innen mich darin lesen: Je nachdem, ob hinter mir eine weiße Wand strahlt, eine ordentlich sortierte Kleiderstange thront oder im Hintergrund das unordentliche Bett verlegen seufzt, zeige ich, wer ich bin. Oder besser: Wie ich gesehen werden will. 

Jahre des Umstellens haben mich gelehrt: Das eigene Zimmer ist ein Schutz- und Wirkungsraum, ein Atelier – und immer fließt es. Es macht klar, welche Bedürfnisse Raum brauchen und was an der Oberfläche schimmern darf. Das Reorganisieren, ich lerne es alle paar Monate neu, bringt Klarheit für das Kommende. Es stimmt ein und lässt mich in Dialog mit mir selbst treten: endlich wieder Frühling.