Die Schatten sind zurück

Über ein Jahr liefen aufgrund der Covid-19-Pandemie keine Kreuzfahrtschiffe in den Hafen von Venedig ein. Seit kurzem sind sie zurück und stoßen erneut die Debatte an, ob Ozeanriesen in einer historischen Altstadt vor Anker gehen sollten.

Kreuzfahrtschiff in der Lagune von Venedig Foto: @drewharbour auf Unsplash

Venedig lebt vom Tourismus wie keine andere Stadt in Europa. Jährlich strömen Millionen von Menschen durch die malerische Altstadt mit ihren vielen Gassen und Kanälen; diese Touristenmassen gehören genau so zu Venedig wie die Brücken und die darunter gleitenden Gondeln. Viele der Besucher und Besucherinnen kamen mit Kreuzfahrtschiffen in die Stadt, die bis zum Beginn der Covid-19-Pandemie regelmäßig direkt in der Innenstadt anlegten und sich wie Hochhäuser vor die Sonne schoben. Nicht nur das – die Kolosse verschmutzten auch das Wasser in der Lagune.

Doch damit war im März 2020 erst einmal Schluss. Über ein ganzes Jahr war Venedig frei von Kreuzfahrtschiffen, das Wasser wurde so sauber, dass sich sogar Delfine wieder darin wohlfühlten. Letzteres erwies sich zwar als Falschmeldung, dennoch konnte das Umweltministerium der Region Venetien eine massive Verbesserung der Wasserwerte in und um die Stadt vermelden.

Venedig ohne Kreuzfahrtschiffe war aber auch Venedig ohne Touristen und Touristinnen. Zwar konnten sich die Bewohner für eine Weile am sauberen Wasser erfreuen, das nun nicht mehr nach Kloake stank, zwar konnten sie sich von den Horden erholen, die ihre Stadt tagtäglich heimsuchten. Dennoch ist die Haupteinnahmequelle nicht weniger Venezianerinnen und Venezianer der Massentourismus von eben diesen Schiffen. Und trotz allem Protest derer, die ihre Stadt gänzlich frei von Kreuzfahrtschiffen sehen wollen, freuten sich viele Venezianer, als vor einigen Tagen das erste Kreuzfahrtschiff im Hafen einlief und wieder die Sonne verdunkelte.

Ist der Kreuzfahrt-Tourismus also ein notwendiges Übel? Wie abhängig ist die Lagunenstadt von den Passagieren zu Schiff? Eine Studie der örtlichen Initiative gegen die Dampfer in der Altstadt konnte nachweisen, dass die Tagestouristen der Schiffe nur sehr wenig Geld in Venedig ausgeben. Weder übernachteten sie in Hotels, noch aßen sie in den Restaurants der Stadt zu Abend. Einzig und allein die Souvenirläden und Museen profitierten tatsächlich von den Kreuzfahrt-Touristen.

Dass die Schiffe für alle im Tourismus Tätigen wichtig wären, kann also kein Argument dafür sein, dass der Kreuzfahrtschiffhafen direkt in der Innenstadt liegen muss. Anderswo, wie auf den Cayman Islands, können die riesigen Schiffe schon längst weit draußen vor Anker gehen und die Gäste mit kleinere Booten an Land gebracht werden. So könnte zum einen die Verschmutzung der innenstadtnahen Gewässer vermieden werden und zum anderen auch eine konstante Überfüllung der Altstadt durch Menschenmassen. Zumindest, wenn ein paar Bequeme doch lieber auf dem Schiff bleiben.

Die Tage der Kreuzfahrtschiffe, die jetzt wieder lange Schatten über die Altstadt von Venedig werfen, sie könnten schon gezählt sein.