Glad midsommar – Göteborg Edition

Man soll die Feste ja bekanntlich feiern, wie sie fallen. Genau das hat unser Autor an Midsommar in Schweden getan. Ein Erfahrungsbericht. 

Dieses Jahr mal richtig gut an Midsommar: das Wetter. Foto: Victor Marquardt

Göteborg. Freitag, 25. Juni: Midsommar. Nach Weihnachten der zweitwichtigste – naja nein, eigentlich der wichtigste Feiertag in Schweden. Auch in diesem Jahr sind mein Freund und ich hier, um gemeinsam mit Familie und Freunden den sommerlichen Höhepunkt Skandinaviens zu feiern. Auch die Jahre zuvor waren wir hier, jedes Mal war es großartig, doch in diesem Jahr ist es etwas ganz Besonderes. 

Während wir im vergangenen Jahr nur mit starken Einschränkungen nach Schweden gelangen konnten und uns beiden nach Rückkehr die zweiwöchige Quarantäne erwartete, konnten wir 2021 unkompliziert Berlin verlassen – mit dem Wissen, dass wir ganz normal wieder zurückkehren dürfen, mit nichts als einem negativen Test. Allein das machte die Reise für meinen Freund und mich zu einer Traumreise, obwohl es für ihn ja eigentlich nur zur Familie und für mich zu den Schwiegereltern ging.

Midsommarfeierlichkeiten sind nicht zum Entspannen und Faulenzen geeignet: Man hat einige Rituale zu pflegen. Neben dem übermäßigen Konsum von Alkohol, der bereits am frühen Nachmittag beginnt, muss auch das reichhaltige Essen, das später als Grundlage und als Vorbeugung einer alkoholbedingten Ohnmacht dient, vorbereitet werden. Das macht die ganze Familie gemeinsam. 

Je nach Region können die aufgetischten Gerichte zwar variieren, doch ist Fisch überall ein wichtiger Bestandteil. Es gibt diverse Fischsorten verschieden zubereitet: Hering, Lachs, Lumb oder Fischeier;  eingelegt, geräuchert, frisch oder aus der Tube. Mein Freund und seine Eltern packen sich gerne mehrere Fischsorten auf ein Brot – mir, der aus einer Stadt ohne Meeranbindung kommt, ist das etwas zu fischig. Ich konzentriere mich auf die guten alten Köttbullar, die natürlich auf einer schwedischen Midsommar-Tafel nicht fehlen dürfen. Neben Kartoffeln, Västerbotten-Käse, einer damit gebackenen Käsequiche und diversen Brotsorten findet man dann noch den Kartoffel-Fischauflauf Janssons Frestelse, dt. Janssons Versuchung, auf dem Tisch im Wintergarten des schwiegerelterlichen Hauses. Natürlich ist immer noch genau so viel Platz, dass jeder mindestens drei Gläser für alkoholische Getränke platzieren kann. Eines für Bier, eines für Wein und ein kleines für Schnaps. Aquavit ist hier das Mittel der Wahl und der 45-prozentige, aus dem Nachbarland Norwegen stammende Klassiker für Midsommar, der gefühlt pausenlos nachgeschenkt und nach einem lauten SKÅL hintergekippt wird. An das Brennen gewöhnt man sich mit jedem weiteren Glas.

Mit frischen Erdbeeren aus schwedischen Wäldern, von schwedischen Elchen gepflückt, geht das etwa 3 ½ Stunden andauernde Festmahl zu Ende. Alle sind pappsatt, und eigentlich könnte man sich jetzt ausruhen – doch nichts da. Nach einem kurzen Telefonat geht es auf zu denen, die schon sehnlichst auf uns warten: Freunde im Stadtzentrum. 

Jetzt darf eines auf gar keinen Fall vergessen werden: der Alkohol. Den haben wir am Tag zuvor im staatlichen Alkoholhandel Systembolaget für viel Geld erworben. Dieses flüssige Gold in Gestalt von Dosenbier, zwei Flaschen Prosecco und einem 3-Liter-Karton Weißwein, genannt Bag-In-Box, wird sorgfältig eingepackt und im Taxi verstaut, das uns über menschenleere Straßen aus dem außerhalb gelegenen Kärra ins Stadtzentrum bringt. Kein Mensch würde um diese Uhrzeit auf die Idee kommen, irgendwo hinzufahren. Jeder ist gerade mit feiern beschäftigt.

Kurz vor 22 Uhr ist es immer noch hell und Wikinger-Schach in vollem Gang.
Foto: Victor Marquardt

Nach 15 Minuten sind wir am Ziel. Unsere Freunde jubeln, als wir um die Ecke biegen. Ob das an uns oder dem Alkohol liegt  – man weiß es nicht. Ist auch nicht so wichtig. Wir freuen uns, beisammen zu sein und im Sonnenschein zu feiern, zu spielen und einfach wieder Midsommar genießen zu können. Kränze werden aus Blumen geflochten, die normalerweise auf umliegenden Wiesen gesammelt werden, innenstadtbedingt aber aus dem örtlichen Supermarkt stammen.

Es ist ewig hell, die ganze Nacht dämmert es, alle haben Energie, und die Stimmung ist großartig. Es wird getanzt – auch mal ganz schön wild. Was genau wer trinkt, ist irgendwann auch egal, Hauptsache es dreht. 

Kurz vor 4 Uhr, es ist taghell und die müden Midsommarhelden verabschieden sich in den Schönheitsschlaf nach Hause. Es war ein wunderbares Fest in Göteborg, mit Eltern, Schwiegereltern und Freunden: so toll wie immer, so anstrengend wie immer, aber in diesem Jahr etwas ganz Besonderes.

Praxis hat eine Schwedenredaktion. Victor Marquardt und Klaudia Lagozinski berichten regelmäßig über das Leben im europäischen Norden. Bei den Midsommar-Festlichkeiten haben beide mitgetrunken. Hier geht es zur Midsommar-Reportage von Klaudia Lagonzinski.