16. July 2021
Chi NguyenTofu – phänomenal fade
Tofu ist vielseitig. Doch weder die Optik noch der Eigengeschmack lässt Herzen höher schlagen; wer behauptet, Tofu schmeckt langweilig, hat durchaus Recht. Aber: That’s the whole point!

Die Sojabohne ist eins der vielseitigsten Lebensmittel der Welt. Sie lässt sich melken, schnetzeln, filetieren. Kochen, stampfen, fermentieren, dämpfen und in Blöcke pressen. Und auch aus Tofu hat die vegane Lebensmittelindustrie allerlei Variationen gezaubert. Sojaprodukte gelten – besonders für vegetarische oder vegane Ernährung – als die Nummer-Eins-Alternative zu Fleischprodukten. Aber Tofu ist eben gar keine Alternative. In der ost- und südostasiatischen Küche koexistieren Tofu und Fleisch in Harmonie. Oft darf Tofu den Protagonisten spielen, manchmal ist er aber auch nur der quirlige Sidekick. Seine Superkraft: Anpassung und Vielseitigkeit.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist Tofu in China entstanden. Die früheste Aufzeichnung, in der von “Doufu” die Rede ist, stammt aus dem Jahr 950 v. Chr. Trotzdem existieren verschiedene Theorien darüber, wie die Herstellung von Tofu entdeckt wurde. In einer Theorie wird vermutet, dass Tofu bereits um 600 v. Chr. aus Versehen hergestellt wurde, als jemand in Nordchina Sojabohnensuppe mit unraffiniertem Meersalz würzte und durch die Mineralien in Meersalz die Sojabohnen in der Suppe gerannen. Der Begriff “Tofu” stammt jedoch aus Japan. Die erste bekannte Aufzeichnung stammt aus dem Jahr 1182. Über die Jahrhunderte verbreitete sich Tofu über ganz Asien und wurde zum Grundnahrungsmittel, das von Reichen, aber auch Armen gerne gegessen wurde.
Die Herstellung von Tofu ist der von Käse ähnlich. Darum wurde Tofu in Deutschland früher oft auch „Bohnenkäse“ genannt. Doch seit den 1980er Jahren ist auch hier “Tofu” der gängige Begriff. Weiße Sojabohnen werden zunächst in Wasser eingeweicht, püriert und erhitzt. Der Sojamilch wird dann “Nigari” untergemischt – ein salziges Gerinnungsmittel, das traditionell aus Meerwasser gewonnen wird –, bis die Sojamilch gerinnt und sich kleine Klümpchen formen. Diese werden gefiltert und in Blöcke gepresst. Je nachdem, welche Konsistenz erreicht werden möchte und wie häufig die Sojabohnenmasse gepresst wird, variiert die Menge an Nigari. Fester oder mittelfester Tofu ist besonders zum Marinieren, Anbraten und Frittieren geeignet, während Seidentofu perfekt für Suppen oder sogar Nachspeisen verwendet werden kann. Kein Wunder, dass Tofu so omnipräsent ist. Im Asiamarkt findet man oft eine große Auswahl an verschiedenen Tofuvarianten unterschiedlicher Hersteller. Manchmal gibt es sogar lokal hergestellten, frischen Tofu zu kaufen.
Die wichtigste Frage ist also: Was macht man damit? Klar, man kann den Tofublock nur als Proteinanteil einer Mahlzeit betrachten, ihn in allen möglichen Saucen ertränken, oder ihn zu Tode frittieren, doch damit wäre das Potenzial des Tofus verschwendet. Tofu verlangt nach Mäßigung, und so ist er auch frittiert der Anfang vieler Gerichte.
Sehr beliebt in der vietnamesischen Küche ist zum Beispiel gebratener Tofu in Tomatensauce. Đậu Sốt Cà Chua ist ein bescheidenes Gericht aus günstigen Zutaten und steht oft auf dem Esstisch, wenn vietnamesische Familien zum Abendessen zusammenkommen. Die Tomatensauce hat mit einer italienischen sugo di pomodori jedoch nur wenige Gemeinsamkeiten. Die Tofustücke saugen die Sauce auf wie ein Schwamm. Gepaart mit duftendem Jasminreis: unschlagbar.
Wie der milde Eigengeschmack von Tofu zum Vorteil genutzt wird, lässt sich am besten anhand eines Desserts erkennen. Der Tofupudding Tào phớ oder dòuhuā aus Seidentofu kommt aus China, wo er oft herzhaft serviert wird. Bei Tào phớ muss das frische, leicht nussige Aroma der Sojabohnen zu schmecken sein und der Tofu im Mund zergehen. In Vietnam wird für eine süße Version des Tofupuddings über zarte (und hochwertige!) Seidentofustückchen ein leichter Jasminzuckersirup gegossen und mit Crushed Eis serviert.
Tofu ist das beste Beispiel dafür, wie Fadheit im positivsten Sinne inspirierend sein kann. Eine stabile Basis, auf der man bauen und Großartiges erschaffen kann. Tofu ist eine Kunstform, vorangetrieben von Menschen, die aus dem wenigsten das meiste machen.